LDL-C-Management:

von «Fire and forget» zu «Treat to target» 

 

In der Schweiz erreichen 80 % der Patienten mit einem sehr hohen CV-Risiko die empfohlenen LDL-C-Zielwerte laut den aktuellen europäischen Guidelines nicht und sind dem erhöhten Risiko eines kardiovaskulären Ereignisses ausgesetzt. Die europäischen Behandlungsrichtlinien zur Dyslipidämiebehandlung empfehlen bei Patienten mit sehr hohem Risiko eine zielwert-orientierte LDL-Cholesterin(LDL-C)-Senkung gemäss kardiovaskulärem Risiko und für die Prävention kardiovaskulärer (CV-)Ereignisse eine «Treat to target»-Strategie. Das Argument für «Treat to target» ist bei Patienten mit sehr hohem CV-Risiko noch stärker: Ein unüberwachter «Fire and forget»-Ansatz zur Senkung des LDL-C kann zu einem hohen CV-Restrisiko führen, wenn die Patienten keine signifikante LDL-C-Senkung erreichen. 

 

Kardiovaskuläre Erkrankungen: häufigste Todesursache und Kostentreiber Nummer eins im Schweizer Gesundheitssystem

Mit rund 21.000 Todesfällen pro Jahr stehen die kardiovaskulären Erkrankungen nach wie vor an der Spitze der Todesursachen in der Schweiz. Umgerechnet stirbt alle 30 Minuten ein Mensch infolge einer kardiovaskulären Erkrankung. Damit sind die kardiovaskulären Erkrankungen für mehr Todesfälle verantwortlich als alle Krebserkrankungen zusammen.1,2

Die meisten registrierten Todesfälle bei kardiovaskulären Erkrankungen sind auf eine atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankung (ASCVD) zurückzuführen.3

Kardiovaskuläre Erkrankungen sind nicht nur die häufigste Todesursache in der Schweiz, sie stehen auch bei den Gesundheitsausgaben an erster Stelle. Mit einem Betrag von 10 Milliarden Franken verursachen kardiovaskuläre Erkrankungen dreimal mehr Kosten als alle Krebserkrankungen zusammen.2 Jährlich gehen zudem 112.000 Hospitalisationen auf das Konto der kardiovaskulären Erkrankungen. Diese Zahlen verdeutlichen die Bedeutung der Behandlung von kardiovaskulären Erkrankungen als Priorität im öffentlichen Gesundheitswesen.6

 

LDL-C: ein kausaler, aber modifizierbarer Risikofaktor von kardiovaskulären Erkrankungen und ASCVD

Ein erhöhtes LDL-C gehört zusammen mit der arteriellen Hypertonie und einer ungesunden Ernährung zu den Hauptrisikofaktoren für eine ASCVD.7,8 Neben der Höhe der LDL-C-Werte spielt auch die Expositionsdauer eine Rolle. Das bedeutet: Vor allem anhaltend hohe LDL-C-Werte erhöhen das Risiko einer ASCVD.8

Das LDL-C ist der am einfachsten zu modifizierende Risikofaktor für eine ASCVD: Eine LDL-C-Reduktion hat unabhängig davon, in welchem Alter mit der lipidsenkenden Therapie begonnen wird, einen positiven Einfluss auf das CV-Risiko.8 Die Evidenz aus 50 Jahren zeigt, dass eine effektive und anhaltende LDL-C-Reduktion den Krankheitsverlauf von kardiovaskulären Erkrankungen verbessert, und bestätigt die direkte Korrelation zwischen erhöhten LDL-C-Werten und dem Auftreten von CV-Ereignissen.9,10

Jede zusätzliche LDL-C-Reduktion um 1 mmol/l reduziert das relative Risiko für ein atherosklerotisches kardiovaskuläres Ereignis um 20 % nach drei Jahren und 1,5 % in jedem der darauffolgenden Jahre.11 

Der kausale Zusammenhang von erhöhten LDL-C-Werten und dem Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse (Major Adverse Cardiovascular Events, MACE) wurde in klinischen Studien mit über 500.000 Patienten bestätigt.11,12 Die aktuellen und evidenz-basierten ESC/EAS Guidelines empfehlen nun für alle Patienten mit einem sehr hohen CV-Risiko eine mind. 50%-Reduktion des LDL-C ab Baseline und als absolutes Behandlungsziel ein LDL-C < 1,4 mmol/l (Abb. 1).13
 

Behandlungsziele bei LDL-Cholesterin
Abb. 1: ESC/EAS Guidelines 2019: LDL-C-Behandlungsziele für alle kardiovaskulären Risikokategorien13. LDL-C = LDL-Cholesterin; BD = Blutdruck; CKD = chronische Nierenerkrankung; DM = Diabetes mellitus; eGFR = geschätzte glomeruläre Filtrationsrate; FH = familiäre Hypercholesterinämie; PCSK9 = proprotein convertase subtilisin/kexin Type 9; SCORE = Systematic Coronary Risk Estimation; DM1 = DM Typ 1; DM2 = DM Typ 2; TC = Total-Cholesterin 

 

 

80 % der Patienten mit sehr hohem Risiko erreichen trotz aktueller Therapien ihre Zielwerte nicht 

Trotz der zur Verfügung stehenden lipidsenkenden Therapien erreichen viele Patienten mit sehr hohem Risiko die empfohlenen Behandlungsziele nicht. Die DA-VINCI-Studie mit Patienten aus 18 europäischen Ländern, die lipidsenkende Therapien erhielten, zeigte Lücken bei der Erreichung des LDL-C-Ziels. Von Patienten mit sehr hohem Risiko und etablierter ASCVD erreichten nur 18 % das in den Leitlinien empfohlene LDL-C-Ziel.14

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Schweizer Kohortenstudie mit Patienten, die aufgrund eines akuten Koronarsyndroms hospitalisiert wurden. Von diesen erreichten ein Jahr nach dem Auftreten des kardiovaskulären Ereignisses gerade einmal 15,7 % das in den ESC/EAS Guidelines 2019 empfohlene LDL-C-Ziel von < 1,4 mmol/l.15
Eine ebenfalls in der Schweiz durchgeführte retrospektive Querschnittsstudie mit 103.351 Patienten zeigte, dass lediglich 15 % der Patienten mit hohem oder sehr hohem CV-Risiko die LDL-C-Zielsetzung erreichten.16

 

Herausforderungen im LDL-C Management

Zu den Gründen, warum viele Patienten mit ASCVD und familiärer Hypercholesterinämie keine anhaltend niedrigen LDL-C-Werte erreichen, gehören:

 

Die unterschiedliche Therapieantwort auf Statine17
Eine suboptimale Antwort auf die Statintherapie ist häufig, wie eine grosse prospektive Kohortenstudie in der Grundversorgung zeigte, bei der auch 2 Jahre nach dem Behandlungsbeginn 51,2 % der Patienten die empfohlenen LDL-C-Werte nicht erreichten.18

 

Eine ungenügende Medikamenten-Adhärenz
Mögliche Gründe sind anhaltende Krankheitssymptome oder auch eine gewisse Therapiemüdigkeit.19
Die meisten Studien zeigen eine Diskontinuitätsrate von ≥ 50 %.20 Eine der häufigsten Ursachen für den Behandlungsabbruch ist die Statinintoleranz. Diese ist verantwortlich dafür, dass etwa 20 % aller Patienten nicht mit Statinen behandelt werden.21-23

 

Keine Behandlung oder eine unzureichende Behandlung
Behandlungslücken bei der Statintherapie zeigten sich auch in einer retrospektiven Schweizer Beobachtungsstudie. Obwohl mehr als die Hälfte der untersuchten Patienten ein hohes oder sehr hohes Risiko für eine tödliche kardiovaskuläre Erkrankung aufwiesen, wurden sie nicht mit der empfohlenen hochintensiven Statintherapie behandelt.24

 

Fehlendes Monitoring
Eine schweizerische Beobachtungsstudie entdeckte erhebliche Lücken im LDL-C-Monitoring. So wurde nur bei etwa der Hälfte der untersuchten Hochrisikopatienten das LDL-C bestimmt.24

 

Das Nichterreichen der LDL-C-Zielwerte unter einer alleinigen Statintherapie
Eine moderate bis hochintensive Statintherapie ist bei den meisten Patienten nicht ausreichend, um anhaltend niedrige LDL-C-Werte zu erzielen.25 In der bereits erwähnten schweizerischen Kohortenstudie erreichten von den Patienten mit einem sehr hohen CV-Risiko 84 % das empfohlene Behandlungsziel nicht. 

 

Ein eingeschränkter Zugang zu effektiveren Therapien
Einschränkungen bei den Arzneimittelverordnungen haben dazu geführt, dass der Zugang zu wirksameren Therapien für viele Hochrisikopatienten, die sich möglicherweise für ein solche Behandlung qualifizieren, limitiert ist.

 

Bestehende Therapien nutzen, um die «Treat to target»-Strategie umzusetzen

Theoretisch stünden genügend Therapieoptionen für das LDL-C-Management bei Hochrisikopatienten zur Verfügung. Die Realität zeigt jedoch, dass in der Schweiz etwa 80 % dieser Patienten die empfohlenen LDL-C-Zielwerte nicht erreichen.14-18 Zusammen mit den beschriebenen Herausforderungen bei der Umsetzung der ESC/EAS-Empfehlungen illustriert dieses Bild den ungedeckten medizinischen Bedarf im Management der Dyslipidämien. Neue Therapien sollten auf bestehende Therapiemöglichkeiten aufbauen, damit die empfohlenen Zielwerte, insbesondere von Patienten mit einem sehr hohen Risiko, erreicht werden und der CV-Outcome dieser Patienten positiv verändert werden kann.

Damit die «Treat to target»-Strategie erfolgreich umgesetzt werden kann, sind dringend neue Behandlungsstrategien nötig, die eine effektive und anhaltende LDL-C-Reduktion bewirken, möglichst breit zugänglich sowie bezahlbar sind und die Medikamenten-Adhärenz führen.
 

Referenzen: 

  1. FSO News. Cause of death statistics – Deaths and its main causes in Switzerland, 2018.
  2. Interpharma report 2019.
  3. Herrington W, et al. Circ Res. 2016;118(4):535–546. 
  4. World Health Organization. Cardiovascular diseases. https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/cardiovascular-diseases-(cvds). Published May 17, 2017. Accessed April 14, 2020.
  5. Zahlen und Daten über Herz-Kreislauf-Krankheiten in der Schweiz – Page 31. (https://www.swissheart.ch/fileadmin/user_upload/Swissheart/Bilder_Inhalt...).
  6. Bundesamt für Statistik (BFS), Todesfälle und Hospitalisierungen aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, dargestellter Zeitraum: 2002–2018, Veröffentlicht am 14.12.2020.
  7. Roth GA, et al. J Am Coll Cardiol. 2020;76(25):2982-3021.
  8. Ference BA, et al. J Am Coll Cardiol. 2018;72(10):1141-1156.
  9. Silverman MG, et al. JAMA. 2016;316(12):1289-1297.
  10. CTT Collaboration. Lancet 2015;385:1397-1405.
  11. Cholesterol Treatment Trialists’ (CTT) Collaboration, et al. Lancet. 2010;376(9753):1670-1681.
  12. Wang N, et al. Lancet Diabetes Endocrinol. 2020;8:36-49.  
  13. Mach F, et al. Eur Heart J. 2020;41(1):111-188.
  14. Ray KK, et al. Eur J Prev Cardiol. Published online 2020. doi:10.1093/eurjpc/zwaa047.
  15. Koskinas KC, et al. Eur J Prev Cardiol. 2021;28(1):59-65.
  16. Meier R, et al. J Clin Med. 2020;9(7):2140.
  17. Ruiz-Iruela C, et al. Pharmacogenomics J. 2020;20:494‐504.
  18. Akyea RK, et al. Heart. 2019;105(13):975‐981.
  19. Lansberg P, et al. Asc Health Risk Manag. 2018;14:91-102.
  20. De Vera MA, et al. Br J Clin Pharmacol. 2014;78(4):684‐698.
  21. Karr S. Am J Manag Care. 2017;23(suppl 9):S139-S148. 
  22. Wei MY, et al. J Clin Lipidol. 2013;7(5):472-483.
  23. Toth PP, et al. Am J Cardiovasc Drugs. 2018;18(3):157-173.
  24. Rachamin Y, et al. Swiss Med Wkly. 2020;150:w20244.
  25. Schleyer T, et al. J Manag Care Spec Pharm. 2019;25(5):544‐554.

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CH2307219514