Behandlung der Multiplen Sklerose1 

Bis heute ist die Multiple Sklerose (MS) nicht heilbar. Die Behandlung der MS erfolgt individuell abgestimmt auf die einzelnen Betroffenen. Dabei werden die persönliche Situation und die Geschwindigkeit des Fortschreitens der Erkrankung berücksichtigt. Ein akuter MS-Schub kann kurzfristig mit Kortison behandelt werden. Für die langfristige MS-Behandlung hat der:die Ärzt:in die Wahl zwischen mehreren verlaufsmodifizierenden Therapien. Ziel dieser Therapien ist die Reduzierung der Krankheitsaktivität und eine möglichst starke Verzögerung der Krankheitsprogression. Darüber hinaus können bestimmte Symptome eine spezifische Behandlung erforderlich machen. Dabei können sich physiotherapeutische, ergotherapeutische und logopädische Sitzungen sowie eine neuropsychologische oder psychotherapeutische Behandlung als hilfreich erweisen. 

 

Behandlung von Schüben der Multiplen Sklerose1,2

MS-Schübe werden allgemein mit täglichen Kortikosteroid-Infusionen über 3–5 Tage behandelt.1 Bei akuten Schüben können neue Symptome, z. B. Sehstörungen oder Lähmungserscheinungen innerhalb weniger Stunden oder Tage auftreten und mehr als 24 Stunden anhalten.1 Zwischen zwei Krankheitsschüben liegt ein Zeitraum von mindestens einem Monat.1 Im Regelfall können hohe Kortisondosen Entzündungsreaktionen hemmen und zu einem Abklingen der Symptome führen, haben aber keinen Einfluss auf das Fortschreiten der Erkrankung.1 Kortikosteroide dürfen aufgrund von möglichen Nebenwirkungen, z. B. Osteoporose oder Diabetes, nicht langfristig verabreicht werden.1 Die Plasmapherese stellt eine zweite Behandlungsoption für akute MS-Schübe dar.2 Dabei wird das Blutplasma ausserhalb des Körpers von den Blutzellen getrennt. Bei einem schweren klinischen Schub, der nicht ausreichend auf Kortikosteroid-Boli anspricht, kann eine ergänzende Plasmapherese-Behandlung überlegt werden.2

 

Multiple Sklerose: Behandlung von Symptomen

Im Krankheitsverlauf können verschiedene Symptome mit unterschiedlicher Schwere und Häufigkeit auftreten und das Leben der Betroffenen stark beeinträchtigen.3 Bei ihrer Behandlung muss jeweils die individuelle Situation berücksichtigt werden.1 Allgemein werden Menschen mit schubförmig-remittierender Multipler Sklerose am stärksten durch Gang- und Gleichgewichtsstörungen sowie Müdigkeit (Fatigue) beeinträchtigt.3

Gangstörungen äussern sich häufig in einem steifen Gang aufgrund von Spastik, also anomaler Muskelspannung, die mit Muskelsteife und Krämpfen verbunden ist.3 Nach 15 Krankheitsjahren leiden bis zu 86 % der Betroffenen unter Spastik.4 Sie kann mithilfe von Antispastika, unterstützt durch Physiotherapie, behandelt werden.3 Wenn sich die Symptome bei mittelschwerer bis schwerer Spastik trotz Therapie nicht verbessern, kann Cannabis als Wirkstoff in Betracht gezogen werden.3 Lokalisierte, schwere Spastik kann mit Botulinumtoxin behandelt werden.3 Muskelsteife kann, zusätzlich zu Nervenschmerzen, die bei MS häufig sind, sekundäre Muskelschmerzen verursachen.3 Nervenschmerzen können mit Antiepileptika, Antidepressiva und seltener auch mit Cannabinoiden oder Opiaten behandelt werden.3 Bei bestimmten lokalisierten Schmerzen können zudem lokal Capsaicin-Präparate aufgetragen werden.3

Gleichgewichtsstörungen können zu Schwindel und Übelkeit führen.3 Akute Schwindelanfälle mit Übelkeit können eine Behandlung mit Antiemetika erforderlich machen.3 Bei chronischem Schwindel werden Ergotherapie und Krankengymnastik empfohlen.3 Darüber hinaus können Gleichgewichtsstörungen mit Zittern (Tremor) verbunden sein.3 Dies kann schwer zu behandeln sein. Mögliche Massnahmen umfassen Gleichgewichts- und Koordinationsübungen sowie die Behandlung mit bestimmten Betablockern oder Benzodiazepinen.3

MS-Betroffene ermüden tendenziell unabhängig vom Krankheitsverlauf und dem Behinderungsgrad schnell.3 Fatigue ist ein sogenanntes «unsichtbares» Symptom und ist häufig für Aussenstehende kaum nachzuempfinden.3 Folglich werden die Auswirkungen auf den Alltag unterschätzt. Die therapeutischen Ansätze umfassen die Aufklärung der Betroffenen sowie ihrer Umgebung, die kräftesparende Strukturierung des Alltags (z. B. mit geplanten Ruhepausen) und moderates körperliches Training.3 Zudem müssen Schlafstörungen behandelt und psychologische Strategien erarbeitet werden.3 Die medikamentöse Behandlung basiert auf antriebssteigernden Psychopharmaka und neurostimulierenden Substanzen.3

Weitere mögliche Symptome umfassen:

  • Blasen- und Darmfunktionsstörungen 
  • Kognitive und psychische Störungen
  • Empfindungsstörungen
  • Sehstörungen
  • Sexuelle Funktionsstörungen

sowie Schluckschwierigkeiten.

 

Krankheitsmodifizierende Therapien5

In den letzten Jahren wurde die Palette der krankheitsmodifizierenden Therapien für MS-Betroffene ständig erweitert und heute gibt es zahlreiche Optionen in Form von Tabletten, Kapseln, Injektionen oder Infusionen.5 Die Empfehlungen internationaler Leitlinien sind ggf. nicht einheitlich und daher werden krankheitsmodifizierende Therapien in der klinischen Praxis unterschiedlich angewendet.5 Allgemein kann die Behandlung schubförmig-remittierender MS mit zwei unterschiedlichen therapeutischen Ansätzen erfolgen.5 

Die Strategie der Stufentherapie ist der historische Behandlungsansatz bei kürzlich diagnostizierter schubförmig-remittierender Multipler Sklerose.5 Dabei wird die Behandlung mit Medikamenten mit schwacher oder mittlerer Wirksamkeit eingeleitet.5 Die Anwendung hochwirksamer Therapie erfolgt, sobald ausgeprägte Krankheitsanzeichen auftreten.5 Angesichts aktueller Daten, welche die Existenz eines «frühen Therapiefensters» und alternative Behandlungsstrategien unterstützen, wird die Stufentherapie als Behandlungsansatz fachlich neu evaluiert.5 

Die Strategie der frühzeitigen hochwirksamen Therapie besteht im Gegensatz dazu in der Anwendung hochwirksamer Therapien ab Diagnose der schubförmig-remittierenden MS.5 Damit lassen sich die zugrundeliegenden Mechanismen der Erkrankung beeinflussen, um einen langfristig vorteilhafteren Krankheitsverlauf zu ermöglichen.5 Mit der Weiterentwicklung der therapeutischen Optionen stehen den Fachpersonen immer mehr hochwirksame Therapien mit gutem Sicherheitsprofil zur Verfügung, u. a. monoklonale Anti-CD20-Antikörper, die weniger Sicherheitsbeobachtung als andere hochwirksame Therapien erfordern.5

 

 

Referenzen: 

  1. Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft. MS-Behandlung. https://www.multiplesklerose.ch/de/ueber-ms/behandlung/; zuletzt abgerufen: 27.03.2024.
  2. Hemmer B. et al. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose, Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen und MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen, S2k-Leitlinie, 2023, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. https://dnvp9c1uo2095.cloudfront.net/cms-content/030050_living_Guideline_MS_V7.1_240105_1704444034393.pdf; zuletzt abgerufen: 27.03.2024.
  3. Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft. MS-Symptome und ihre Behandlung. https://www.multiplesklerose.ch/PDF/de/Infoblaetter/01_Medizinische_und_therapeutische_Fragen/MS-Info_MS-Symptome_und_ihre_Behandlung.pdf; zuletzt abgerufen: 27.03.2024.
  4. Kister I, et al. Natural history of multiple sclerosis symptoms. Int J MS Care. 2013;15(3):146─58.
  5. Freeman L, et al. High-Efficacy Therapies for Treatment-Naïve Individuals with Relapsing-Remitting Multiple Sclerosis. CNS Drugs. 2022;36(12):1285─1299.

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