Die Myelofibrose ist eine seltene hämatologische Erkrankung, bei der es zu einer Verfaserung (Fibrosierung) des Knochenmarks kommt, die immer weiter voranschreitet. In der Folge wird das blutbildende Knochenmarkgewebe schrittweise durch Bindegewebe ersetzt (Abbildung 1).

Abbildung 1: Charakteristisches Merkmal für die Myelofibrose ist eine Fibrose des Knochenmarks, welche eine unzureichende Hämatopoiese und in der Folge eine Anämie und Blutgerinnungsstörungen verursacht.

 

Dies wiederum bedingt eine Verlagerung der Blutbildung ausserhalb des Knochenmarks in Milz und Leber (extramedulläre Hämatopoese), was zu deren Vergrösserung führt (Spleno- und Hepatomegalie) und häufig von einer ineffektiven Hämatopoese (Anämie, Thrombozytopenie, Leukozytopenie) begleitet wird.

Eine Myelofibrose kann primär (PMF) oder sekundär als Folge einer essenziellen Thrombozythämie (Post-ET-MF) oder einer Polycythaemia vera (Post-PV-MF) auftreten. Bei 8–23% der Patienten pro 10 Jahre kann es zu einem Fortschreiten zu einer akuten myeloische Leukämie (AML) kommen.1,2

Wesentliches Merkmal der Myelofibrose ist eine Dysregulation der durch Januskinasen (JAK) vermittelten JAK/STAT-Signalkaskade (STAT = Signal Transducers and Activators of Transcription) in hämatopoetischen Stammzellen des Knochenmarks (Abbildung 2).3 Zu den Konsequenzen der permanenten Aktivierung der JAK/STAT-Signalkaskade zählen einerseits eine gestörte Regulation der Produktion von Blutzellen und andererseits die vermehrte Produktion entzündungsfördernder Botenstoffe („Zytokine“).4–6

Abbildung 2: Mutationen in Genen der JAK/STAT-Signalkaskade sind charakteristisch für die Myelofibrose. Sie führen zu einer konstant aktiven Kaskade und dadurch zu einer Überproduktion von Blutzellen und Botenstoffen.

Die Dysregulation kann verschiedene Ursachen haben, u. a. die JAK2 V617F-Mutation, die circa 60% der Patienten mit PMF und Post-ET-MF und 95% der Patienten mit Post-PV-MF aufweisen.7

20–30% der PMF-Patienten haben eine sogenannte Calreticulin-Mutation (CALR Exon 9), weitere 5–8% eine Mutation im Thrombopoetinrezeptor (MPLW515). Es gibt jedoch auch Patienten, die keine der drei genannten Mutationen tragen, sie sind „triple-negativ“ (Abbildung 3).7

Abbildung 3: Verteilung der Mutationen in primärer Myelofibrose (adaptiert nach 7)

Die Myelofibrose gehört zu den seltenen Erkrankungen. Die jährliche Inzidenz der Myelofibrose liegt in Europa bei 0,5–1,5 Neuerkrankungen pro 100’000 Personen und betrifft Männer und Frauen gleichermassen.2 Das mediane Alter bei der Diagnose beträgt 69 bis 76 Jahre, wobei 90% der Erkrankten älter als 46 Jahre sind.8 Die mediane Überlebenszeit der Patienten beträgt 5,7 Jahre.9

Abbildung 4: Übersicht Epidemiologie (adaptiert nach 2,9)

Eine Myelofibrose beginnt meist schleichend und ohne körperliche Beschwerden. Oftmals finden sich Anzeichen erst im Rahmen von Routineuntersuchungen, z.B. Blutbildveränderungen oder eine Splenomegalie.10 Die häufigsten Symptome werden nach Problembereichen unterteilt (Abbildung 5). Die häufigsten Todesursachen bei einer Myelofibrose sind die Transformation in eine akute myeloische Leukämie (20,1%), kardiovaskuläre Erkrankungen (12,3%) und Infektionen (10,4%).11

Abbildung 5: Drei überlappende Problembereiche bestimmen die Krankheitslast bei Myelofibrose (adaptiert nach 12–14).

 

 

Die Diagnose erfolgt gemäss der WHO Kriterien für Myelofibrose von 2016.15

Die Diagnostik beinhaltet:16

  • eine allgemeine körperliche Untersuchung mit ausführlicher Anamnese (Splenomegalie oder Hepatomegalie, charakteristische Beschwerden),
  • eine hämatologische Untersuchung (Zellularität und Morphologie der Erythrozyten, Leukozyten und Thrombozyten),
  • eine morphologische und genetische Analyse des Knochenmarks (Zellularität und Morphologie, Grad der Fibrose, Treibermutationen in JAK2, MPL und CALR)


Abbildung 6: Diagnostische Untersuchungen bei Myelofibrose.16

Die Therapie der Myelofibrose richtet sich in erster Linie nach dem Risiko-Score, der Symptomatik und der Komorbidität. Die bislang einzige kurative Behandlung der Myelofibrose ist die allogene Stammzelltransplantation, welche allerdings bei den meisten Patienten aufgrund ihres Alters und Komorbiditäten nicht indiziert ist. Deshalb besteht der primäre Therapieansatz in einer symptomorientierten (palliativen Therapie unter dem Aspekt des Erhalts einer möglichst hohen Lebensqualität).16

Bei einem palliativen Ziel steht die Behandlung von spezifischen Problemen wie Anämie mit Erythropoetin, Kortikosteroiden, oder durch eine Transfusion im Vordergrund. Splenektomien oder Milzbestrahlungen werden heute nur noch äusserst selten durchgeführt. Zur Behandlung der Splenomegalie und Symptomen kommen stattdessen JAK2-Hemmer zum Einsatz, welche die Grösse der Milz reduzieren und die Symptome kontrollieren. Internationale Guidelines empfehlen bei Patienten mit einem niedrigen oder intermediären Risiko ohne klinische Symptome sie vorerst nur zu beobachten oder in klinischen Studien einzubinden.16-19

1.    Mesa RA et al. Leukemic transformation in myelofibrosis with myeloid metaplasia: a single-institution experience with 91 cases. Blood. 2005; 105(3): 973–7. 
2.    Tefferi A. Myelofibrosis with Myeloid Metaplasia. N Engl J Med. 2000; 342(17): 1255–65. 
3.    Levine RL et al. Myeloproliferative disorders. Blood. 2008; 112(6): 2190–8. 
4.    Ghoreschi K et al. Janus kinases in immune cell signaling. Immunol Rev. 2009; 228(1): 273–87. 
5.    Passamonti F et al. Myeloproliferative neoplasms: From JAK2 mutations discovery to JAK2 inhibitor therapies. Oncotarget. 2011; 2(6): 485–90. 
6.    Quintás-Cardama A et al. Preclinical characterization of the selective JAK1/2 inhibitor INCB018424: therapeutic implications for the treatment of myeloproliferative neoplasms. Blood. 2010; 115(15): 3109–17. 
7.    Klampfl T et al. Somatic Mutations of Calreticulin in Myeloproliferative Neoplasms. N Engl J Med. 2013; 369(25): 2379–90. 
8.    Moulard O et al. Epidemiology of myelofibrosis, essential thrombocythemia, and polycythemia vera in the European Union. Eur J Haematol. 2014; 92(4): 289–97. 
9.    Cervantes F et al. New prognostic scoring system for primary myelofibrosis based on a study of the International Working Group for Myelofibrosis Research and Treatment. Blood. 2009; 113(13): 2895–901. 
10.    Tefferi A et al. Polycythemia vera treatment algorithm 2018. Blood Cancer Journal. 2018; 8(1): 3. 
11.    Hultcrantz M et al. Risk and Cause of Death in Patients Diagnosed With Myeloproliferative Neoplasms in Sweden Between 1973 and 2005: A Population-Based Study. JCO. 2015; 33(20): 2288–95. 
12.    Barosi G. Myelofibrosis With Myeloid Metaplasia: Diagnostic Definition and Prognostic Classification for Clinical Studies and Treatment Guidelines. JCO. 1999; 17(9): 2954–2954. 
13.    Mesa RA. Navigating the Evolving Paradigms in the Diagnosis and Treatment of Myeloproliferative Disorders. Hematology. 2007; 2007(1): 355–62. 
14.    Mesa RA. How I treat symptomatic splenomegaly in patients with myelofibrosis. Blood. 2009; 113(22): 5394–400. 
15.    Barbui T et al. The 2016 WHO classification and diagnostic criteria for myeloproliferative neoplasms: document summary and in-depth discussion. Blood Cancer J. 2018; 8(2): 15. 
16.    Onkopedia. Primäre Myelofibrose (PMF). 
17.    Vannucchi AM et al. Philadelphia chromosome-negative chronic myeloproliferative neoplasms: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann. Oncol. 2015; 26 Suppl 5: v85-99.
18    Barbui T et al. Philadelphia chromosome-negative classical myeloproliferative neoplasms: revised management recommendations from European LeukemiaNet. Leukemia. 2018; 32(5): 1057–69.
19.   National Comprehensive Cancer Network (NCCN). NCCN Clinical Practice Guidelines in Oncology (NCCN Guidelines®): Myeloproliferative Neoplasms (Version 1.2020 — May 21, 2020). Abrufbar unter: https://www.nccn.org/professionals/physician_gls/pdf/mpn.pdf; (letzter Zugriff am 08. September 2020). 


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CH2210286953